Getreide ist eines der wertvollsten Geschenke von Mutter Erde und Brot ist eine Manifestation der Erdalchemie! Getreidekörner, Wasser, Erde und Feuer sind die Grundelemente, die zusammenarbeiten um ein köstliches Grundnahrungsmittel zu kreieren, welches die Menschheit auf der ganzen Welt seit mindestens 14’000 Jahren gefüttert hat.
Die Fähigkeit Brot zu machen, ermöglichte uns die Menschen zu werden, die wir heute sind. Jede Kultur der Welt, alt und neu, hat ihre eigene Brotvariation. Die Magie liegt in dem, das dem Wasser und Mehl zugefügt wird. Wird Backtriebmittel verwendet, geht das Brot auf mindestens das Doppelte seines Volumens auf. Werden andere Zutaten beigefügt oder weggelassen, dann entsteht ein ganz anderes Produkt. Nimmst du nur Wasser, Mehl und ein bisschen Salz bekommst du Chapati oder Tortilla. Füge Zucker, Eier und Butter hinzu und du hast einen Kuchen!
Wer liebt den Geruch eines Brotes, das frisch aus dem Ofen kommt, nicht? Es ist ein spezieller Geruch, der dich an die Kindheit zurückerinnern kann, ein Geruch, der von Menschen in der ganzen Welt über Generationen genossen wird. Vor etwa 30’000 Jahren entdeckten die Jäger und Sammler, dass die Körner gewisser Pflanzen, die ersten Getreidesorten, essbar gemacht werden können, wenn sie auf einem Stein in sehr feine Teile zerstampft werden. Durch das Vermischen dieses ‚Mehls‘ mit Wasser entstand ein Brei, welcher gekocht, in der Sonne getrocknet oder in heisser Asche oder auf heissen Steinen im Feuer gebacken wurde. Das erste Brot war flach. Wir finden immer noch Nachkommen dieses ursprünglichen Brots auf der ganzen Welt: Naan, Pita, Roti, Tortilla, Pancake und Matze, um nur ein paar aufzuzählen.
Ungefähr um 12’000 vor Christus entdeckten unsere frühen Vorfahren, dass sie die Getreidekörner in der Erde pflanzen können und so das Vielfache ernten können von dem, was sie sammeln konnten. So entstand Landwirtschaft. Diese Entdeckung führte zum Umstieg vom Lebensstil des jagen und sammeln und ermöglichte der Menschheit, sich zu den vielbeschäftigten, modernen Menschen zu entwickeln, die wir heute sind. Ein Jäger und Sammler zu sein war eine mühevolle Existenz. Immerzu musste man herumwandern, um Essen zu finden, oftmals unter stark erschwerten Umständen. Wenn Essen knapp ist, ist es weniger wahrscheinlich, dass Frauen schwanger werden. Der weibliche Körper braucht einen gewissen Fettanteil, um ein Kind empfangen zu können. Auch wenn Kinder in Zeiten mit mehr Überfluss auf die Welt kamen, überlebten viele Kinder nicht.
Das Leben der Jäger und Sammler verbesserte sich drastisch, als sie entdeckten, dass sie die Hauptquelle ihres Essens selber anbauen konnten und daneben wohnen konnten.
Frühe landwirtschaftliche Siedlungen
Kamen der Bauer oder das Brot zuerst? Die Antwort darauf ist bewiesen. Archäologen fanden 15 fünf Millimeter dicke Brotkrümel in einem Dorf im Norden Jordaniens. Die Brotkrümel sind ungefähr 14’000 Jahre alt und haben die Struktur eines ungesäuerten Brots. Landwirtschaft, sofern man weiss, begann etwa 2000 Jahre nachdem dieses spezifische Brot gebacken wurde.
Der Wechsel von Jägerin und Sammlerln zu Bauern und Bäuerinnen geschah nicht über Nacht. Von der Entdeckung der Fähigkeit, Getreide zu pflanzen und wachsen zu lassen, bis zur Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft dauerte es etwa tausend Jahre. Spannenderweise fand dieser Wandel an den verschiedensten Orten der Welt statt, aber nicht überall zur gleichen Zeit.
Menschen begannen dauerhafte Unterkünfte zu bauen und als separate Familien zu wohnen, anstatt in Gemeinschaften zu leben, die zu Fuss unterwegs waren. Sie bauten ihre primitiven Häuser nahe zueinander und so entstanden die ersten dauerhaft besetzten Dörfer. Diese Veränderung des täglichen Lebens hatte enorme Auswirkungen auf das Gemeinschaftsleben. Mit der Möglichkeit Essen anzubauen, zu ernten und zu lagern, mussten die Menschen weniger Zeit für die Essenssuche verwenden und konnten stattdessen Zeit in die Entwicklung eins verbesserten Lebens stecken. Sie begannen, neue Werkzeuge für die Landwirtschaft zu entwickeln, die Töpferei zu verbessern, soziale Strukturen, Kultur und Religion aufzubauen, das Kunsthandwerk zu verfeinern und später eine blühende Wirtschaft zu erschaffen. Noch wichtiger ist, dass die Menschen mehr Kinder mit einer höheren Überlebenschance haben konnten, was für das Weiterbestehen des Clans entscheidend war.
Archäologen sind sich im Allgemeinen einer Meinung, dass die ersten Bauernhöfe im fruchtbaren Halbmond, dem Land zwischen Euphrat und Tigris, entstanden. Diese Höfe basierten auf acht ursprünglichen Getreidearten: Emmer, Einkorn, Gerste, Erbsen, Linsen, Kichererbsen, Lein und Linsen-Wicke. Der nächste Schritt bestand daraus zu lernen, andere Pflanzenkulturen wie Knollen oder Gemüse in einer kontrollierten Weise anzubauen, gefolgt von der Domestizierung von Tieren.
Die Göttin des Getreides
Es gibt unzählige Schöpfungsgeschichten aus der ganzen Welt, die erzählen, wie Getreide und so auch Mais und Reis zu den Menschen kam. Die meisten dieser Schöpfungsgeschichten berichten, wie Mutter Erde das Getreide den Menschen gibt und wie eine Göttin mit diesem Prozess betraut wird. Die Göttin des Getreides trägt viele verschiedene Namen. In Mexiko heisst die Chicomecoat, die Sumerer nannten sie Nissaba und die Babylonier lshara. Im Allgemeinen bekannter sind Demeter, Ceres, Artemis und Cybele. Ihre Legenden beinhalten alle den Kreislauf von Leben – Tod – Leben, repräsentativ für die Jahreszeiten des Samens säen bis zur Ernte und die unfruchtbare Winterzeit.
Die Göttin des Getreides wurde meistens als schwarz dargestellt, der Farbe der fruchtbaren Erde gleichend. Die schwarze Göttin stand im Zentrum praktisch aller vorchristlichen Religionen. In Jerusalem wurde ihre Statue auch zurzeit Geburt Jesu noch verehrt. Als das Christentum und Judentum sich verbreitete, wurde die Verehrung der Göttin verboten, was auf viel Widerstand bei den Frauen traf. Als der Prophet Jeremiah Frauen in Judäa über die Göttinnenverehrung unterrichtete und ihnen mit dem Zorn Gottes drohte, sagten ihm die Frauen, dass sie lieber bei ihrem Glauben bleiben würden und sie der Göttin weiterhin Rauch- und Trinkgaben bringen würden und Kuchen in ihrer Form backen würden (Jeremiah 44, Vers 17).
Die heilige Rolle des Getreides und Brots in der heutigen Gesellschaft
Obschon die Göttin des Getreides verschmäht und die Finsternis verbannt wurde, schaffte sie es im Wandel der Zeit zu überleben. Heute gibt es immer noch viele Feste und Rituale, bei denen Brot in ihrem Namen gebacken wird. Ihre Statue kann noch heute in verschiedenen religiösen Stätten in der ganzen Welt gefunden werden. Die Statue von Cybele wird noch immer durch die Felder getragen, um die Pflanzen zu segnen und danach im Fluss gewaschen, was Bewässerung symbolisiert. In vielen abgelegenen Regionen, wo noch nicht Maschinen die Landwirtschaft übernommen haben, gibt es nach wie vor die Gewohnheit der Göttin nach dem Pflügen der Felder Brot zu offerieren. In Europa verwandelte sie sich in die Schwarze Madonna und kann in vielen katholischen Kirchen gefunden werden. In Sonogno, einem kleinen Schweizer Bergdorf am Ende einer Strasse, backen Leute noch heute Brot, um es der Schwarzen Madonna zu offerieren. Jeder erste Sonntag im August wird sie schön gekleidet und von ihrem Altar in der kleinen Kirche über die Felder getragen, um die Felder zu segnen. Die Vorbereitungen beginnen in den Tagen zuvor, wenn alle zusammenkommen, um Brot zu backen. Das Brot wird in Körben vor den Altar gelegt und nach der Prozession verteilt. Das Teilen oder Brechen von Brot ist ein verbreiteter Brauch in Religionen und Traditionen überall auf der Welt. Die meisten Leute sind mit der Hostie der katholischen Kirche bekannt. Viele andere Traditionen und Religionen auf der Welt praktizieren das Brotbrechen nach einer Zeremonie. Es ist eine Art Beziehungen zu knüpfen und sicherzugehen, dass Überfluss geteilt wird.
In Ländern östlich von Europa werden Brot, Kuchen und Kekse noch immer Göttern, Göttinnen und den Naturgeistern offeriert. Eine Zeremonie der amerikanischen Ureinwohner ist nicht komplett, bis nicht alle Anwesenden Essen geteilt haben. Das Brot ist oft ersetzt
durch einen feinen Kuchen, aber bleibt essentiell, wenn es ums Teilen von Essen und Brotbrechen geht. Ein weiteres wundervolles Beispiel des Brotbrechens ist der Hochzeitstorte. Ursprünglich war die Hochzeitstorte eine Art luxuriöses Brot, zu welchem wertvolle Zutaten wie Zucker, getrocknete Früchte, Butter oder Milch zugefügt wurden. Heute ist es meistens eine schön dekorierte und köstliche Torte, aber das Prinzip bleibt dasselbe. Nach der Hochzeitszeremonie brechen (schneiden) die frisch Verheirateten die Torte und nachdem sie sich gegenseitig gefüttert haben, teilen sie die Torte mit allen Anwesenden.
Der Wandel vom Fladenbrot zum Laib
Es ist nicht wirklich klar, wann wir entdeckt haben, wie man Brot aufgehen lässt, aber wir wissen, dass fermentierte Getränke schon um 4800 vor Christus existiert haben. Das heisst nicht, dass Fermentation nicht schon früher praktiziert wurde. Das älteste Sauerteigbrot, das bis jetzt gefunden wurde, wurde in der Schweiz exkaviert und stammt aus ungefähr 3700 vor Christus. Vor der Entdeckung dieses Brots dachte man, die Ägypter hätten das Backtriebmittel rund 3000 vor Christus erfunden.
Es ist nicht schwierig sich vorzustellen, dass das Backtriebmittel schon lange vorher ‚erfunden‘ wurde. Die Prozesse der Mikroorganismen im Sauerteig, die das Brot aufgehen
lasse, sind schon im Getreidekorn präsent. Um einen Sauerteigstarter zu machen, brauchst du lediglich Mehl und Wasser. Indem du es für ein paar Tage in einer Schüssel ausserhalb des Kühlschranks stehen lässt, entsteht der Sauerteig von selbst. Da die neolithischen Bauern Tonschüsseln verwendeten, um ihren ungesäuerten Teig zu mischen, ist es gut möglich, dass diese Schüsseln ein paar Tage mit Restteig des letzten Brotes herumstanden, was zur Fermentation des Teiges in Sauerteig führen würde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass jemand die Schüssel nahm und sich dachte, es ist besser, nichts zu vergeuden, und so Wasser und Mehl in den fermentierten Restteig gab, um Brot zu machen. Plötzlich geschah ein Wunder und das Brot wurde wundervoll grösser und schmeckte besser. Ein gutes Sauerteigbrot muss es in einer geschlossenen Umgebung gebacken werden. Das heisst man hat eine Art Ofen nötig. Es gibt viele Spekulationen darüber, wann der erste Ofen erfunden wurde. Archäologen vermuten, dass der erste Ofen ein Tontopf war, der auf einen heissen Stein über dem Feuer gestellt wurde. Dank der Archäologin Marije Gimbutas wissen wir, dass Brotöfen schon um 4800-4600 vor Christus existieren. Sie entdeckte den Brotofen in einem Schrein im Westen der Ukraine, welcher der Göttin gewidmet war. Der Schrein hatte nicht nur einen Ofen, aber auch weibliche Figuren und einen Thron. Da es um 4800 vor Christus schon Öfen gab, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Technik des Sauerteigbrots auch schon entdeckt wurde.
Sauerteig oder Hefe
Brot ist lebendig, viele Komponenten arbeiten beim Brotmachen zusammen. Es tut nicht immer so, wie man will und das ist auch die Herausforderung, wenn man eine natürliche Bäckerei hat wie die unsere. Nachdem die Menschheit die Technik des Sauerteigs entdeckt hat, haben wir sie für tausende von Jahren verwendet. Hefe wurde erst erfunden, nachdem Louis Pasteur den Fermentationsprozess entdeckt hat im Jahr 1857. Um Dinge zu vereinfachen, haben wir nun industriell hergestellte Mikroorganismen, welche es möglich machen, den Prozess des Aufgehens des Teigs auf nur eine Stunde verkürzte. Dies erlaubt den Bäcker, vier bis 24 Stunden Wartezeit einzusparen.
Wir leben in einer Zeit, in der konsequente Qualität ist sehr wichtig, um im Geschäft zu bleiben. Als Supermärkte entstanden, verwandelte sich die Kunst des Brotbackens langsam zu Industriebrotherstellung. Maschinen, Hefe und Chemikalien erlaubten es den Bäckereien, mehr mit weniger Händen zu produzieren, den Prozess zu kontrollieren und eine konsistente Qualität zu einem tiefen Preis zu liefern. Zur gleichen Zeit wurden auch Maschinen und Chemikalien entwickelt, welche es den Bauern erlaubte, mehr Getreide für einen tieferen Preis und mit weniger Risiken des Ernteausfalls aufgrund von Krankheitsbefall oder Wetterbedingungen zu produzieren. Alle waren glücklich. Produzenten verdienten mehr Geld und Konsumenten zahlten weniger. Aber langfristig führte es zum Bankrott traditioneller Bäckereien, einer erhöhten Umweltverschmutzung, der Vergiftung unseres Ernährungssystems und Konsumenten, die dafür mit ihrer Gesundheit bezahlen.
Desto mehr Zutaten in deinem Brot sind, desto weniger ist es nahrhaft für deinen Körper. Heute können Bäcker den Prozess des Aufgehens des Teiges auf 15 Minuten beschleunigen. Das klingt gut, ist aber nicht so gut für die Nährstoffqualität des Brotes und deine Gesundheit. Damit Getreide verdaulich ist, muss der Teig fermentieren und für vier Stunden ruhen. Dies nennen wir die Ruhezeit des Teigs. In unserer Bäckerei lassen wir den Teig für mindestens 17 Stunden ruhen. Dem Brot Ruhezeit zu geben, macht den ganzen Unterschied zwischen einem gesunden und ungesunden Brot aus. Du kannst noch mehr darüber im Abschnitt „Warum Sauerteig“ lesen.